,,Verkacktes Drecksloch …“, murmelte sie vor sich hin.
,,Absolut“, pflichtete der Salarianer ihr bei, ohne sich umzudrehen.
,,Aber definitiv besser als das, was Euch blüht, wenn man Euch für Deine kleine Showeinlage am Raumhafen vor Gericht stellt, nicht wahr?“
Ze’sa verdrehte die Augen und ächzte. ,,Das war was Persönliches“, schnaubte sie.
,,Das ist es immer. Wobei es wohl kaum noch als persönlich bezeichnet werden kann, wenn im ExtraNet darüber berichtet würde, meinst Du nicht auch?“
,,Bring uns in den Hafen und vergiss, dass Du uns gesehen hast. Das wird das Beste für alle sein“, knurrte sie, ohne die Frage zu beantworten und wandte sich ab.
,,Wir sind gleich da“, rief sie Shahad im Vorbeigehen zu, als sie nach der Tasche mit ihrer sparsamen Habe suchte und den Inhalt überprüfte. Ein Rumpeln verriet kurz darauf, dass sie von der künstlichen Schwerkraft Omegas erfasst worden waren.
,,Ich muss ein paar Informationen auftreiben, checken wie die Lage ist …“, murmelte sie mehr zu sich selbst als zur Blue Sun neben sich.
Sie war lebend von der Citadel gekommen, aber ihre Lage war weiterhin irgendwo auf einer Skala von angespannt bis beschissen einzuordnen; der Hinweis des Piloten auf die Kreise, die Telas Tod offensichtlich bereit gezogen hatte, war ein weiterer Beweis dafür.
Kaum hatte sich die Personenschleuse zischen zu öffnen begonnen, schlug ihnen das unverkennbare Aroma aus Verzweiflung und Gelegenheit entgegen, welches Omega auszeichnete. Shahad verabschiedete sich mit einem knappen Nicken vom Salarianer, Ze’sa ignorierte den Lurch kurzerhand und drängte auf die gläserne Gangway, deren Scheiben überwiegend verkratzt waren und an mehr als einer Stelle von schludrig dahingeschmierten Graffiti verunziert wurden. Mit einer Miene die das Herz eines Kindes zum Stillstand hätte bringen können stampfte sie los. Sie hatte keine Ahnung, wie es weitergehen sollte, aber es kam nicht in Frage stehen zu bleiben oder auch nur langsamer zu werden; das Glück war eine wechselhafte Liebhaberin und Ze’sa hatte vor die Schlampe einzureiten, bis sie wieder spurte.
Links und rechts von ihrem Landeplatz waren zahllose andere Schiffe gelandet, um Ladung zu löschen, neue Fracht oder Passagiere an Bord zu nehmen oder gescheiterte Existenzen in diesem unermüdlich um die eigene Achse kreisenden Irrenhaus abzuladen. Während jene meist weiter unten direkt auf dem Boden des Docks über die Frachtschleuse zum ersten Mal den Fuß auf die nächste und vermutlich letzte Station ihrer Reise setzen mussten, verfügten die besseren, weiter oben gelegenen Landeplätze über Magnetklauen für die Schiffe und Gangways für die Besatzung. Auf eben einer solchen wurde Ze’sa, obgleich ihr Blick stur geradeaus gerichtet war, einer Bewegung gewahr, die ihre Aufmerksamkeit erregte, sodass sie anhielt und so Shahad die Gelegenheit gab, aufzuschließen. Die Asari bedachte die Blue Sun jedoch mit keinem Blick, weil ihre Augen starr auf die Gangway zwei Ebenen unter ihnen und vier – fünf – sechs Landeplätze zu ihrer Linken gerichtet waren. Durch die ebenfalls reichlich ramponierte und verschmierte Röhre schwebte ein dunkler Klotz von etwa der Länge einer Asari oder eines Menschen, unmittelbar gefolgt von einem Turianer, den Ze’sa überall in der Galaxie erkannt hätte. Auch wenn es nur Sekunden waren, bevor Qatar und sein Frachtgut am Ende der Gangway im Terminal verschwanden, war sich Ze’sa sicher, was sie gesehen hatte.
,,Den Wichser kauf’ ich mir! Komm mit!“, brüllte sie, als sie bereits losgerannt war.
Sie stürmte wie eine Besessene zum nächsten Aufzug und hämmerte so heftig auf das Bedienfeld, dass die Holoanzeige flackerte. Zwei Ebenen weiter unten angekommen schoss sie wie die fleischgewordene Rache aus dem Lift und spurtete weiter. Rücksichtlos drängte sie andere Reisende beiseite und bahnte sich einen Weg durch die Menge. Bei der gesuchten Gangway angekommen, war keine Spur von Qatar mehr zu sehen. Ihre Augen schossen umher und suchten das Terminal hasserfüllt ab, während das Blut in ihren Schläfen pochte. Irgendwo in der Peripherie ihrer Wahrnehmung tauchte Shahad neben ihr auf und sagte vielleicht sogar etwas zu ihr – vermutlich sogar laut – doch drangen ihre Worte nicht bis zu Ze’sa durch. Sie war auf der Jagd und würde nicht eher ruhen bis sie ihre Beute zur Strecke gebracht hatte.
Plötzlich riss ein Zischen sie aus ihrer Trance, als sich am Ende der nun verwaisten Gangway die Luftschleuse schloss und das Schiff, welches Qatar abgesetzt hatte, mitsamt der Crew, die womöglich wusste, wohin der Turianer wollte, davonflog.
Mit einem wilden Schrei rannte Ze’sa die Gangway hinauf und sprang mit den Füßen voran gegen das geschlossene Schott, welches den beherzten Angriff mit stoischer Regungslosigkeit quittierte und so Ze’sa samt der anderen Lebewesen im Terminal davor bewahrte, ins All gesaugt zu werden.
,,Verdammte Scheiße!“, brüllte sie und hämmerte ein weiteres Mal gegen die Luftschleuse.
,,Verdammte Schei ...“ Sie spürte, wie sie von hinten gepackt und herumgerissen wurde. Eine Faust, über die hinweg Shahad mit grimmigem Blick ihr Jochbein anvisiert hatte, landete in ihrem Mittelgesicht und ließ sie mit dem Hinterkopf gegen das Schott schlagen.
,,Bist Du eigentlich vollkommen bescheuert?!“, brüllte die Blue Sun sie an, während vor Ze’sas Augen Kometenschwärme ihre Bahnen zogen.
Sie riss ihre Arme zur Deckung hoch, kassierte aber prompt eine weitere Gerade, die sie Blut schmecken ließ. Ze’sa spürte biotischen Knistern auf ihrer Haut, das ihren Körper zu überziehen begann und sah die Welt durch einen düsterroten Tunnel, an dessen Ende Shahad stand und so dem Schnellzug der Vernichtung den Weg versperrte, den Ze’sa ins Gleis zu setzten beabsichtigte. Gerade als sie ihre Biotik zu kanalisieren begann, erklang in ihrem adrenalingefluteten Hirn der Name Qatar, der sie innehalten ließ. Sie hatte weder Zeit noch Kraft, um sich mit dem davongeflogenen Schiff oder einer Keilerei hier am Hafen aufzuhalten; sie hatte Rache zu nehmen.
Das blaue Leuchten erlosch, die Welt wurde wieder heller.
,,Puh, da hätte ich fast die Beherrschung verloren ...“, resümierte sie und rieb sich das Jochbein.
Shahad stand mit weiterhin gehobenen Fäusten vor ihr und musterte sie skeptisch.
,,Okay, also das eben … da war der Typ, den ich … von der Spectre! …“, sprudelte sie los, merkte aber direkt, das ihr Verstand noch zu aufgepeitscht war, um vernünfitge Sätze zu bilden.
Sie seufzte und lehnte sich an die geschlossene Luftschleuse hinter ihr.
,,Bock auf einen Drink? Ich glaub’ ich muss erstmal ankommen.“